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18. März 2023

Kulturelles Umdenken gestalten: Interview mit Réka Visnyei

Unsere Arbeit als projekt\/\/partner lebt von Austausch und Zusammenarbeit mit anderen klugen Köpfen und New-Work-Spezialisten. Einige Projekte haben wir gemeinsam mit den erfahrenen Innenarchitekten von INpuls umgesetzt. Inhaberin und Dipl.-Ing. Innenarchitektin Réka Visnyei spricht über ihre Rolle als Expertin für Arbeitswelten und erzählt interessante Details über das Konzept für die neue Firmenzentrale von NOVENTI Health SE in München.

INpuls beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Gestaltung von Arbeitswelten. Welche Rolle spielt das eigene Büro dabei?

 

Seit unserem Umzug vor drei Jahren – raus aus dem Coworking-Space, hinein in die eigenen vier Wände – konnten wir unser Potenzial enorm ausschöpfen. Diese räumliche Entwicklung hat uns die Möglichkeit gegeben, nicht nur an Personen zu wachsen, sondern auch an Kompetenzen. Seither haben wir uns zu einem starken Team entwickelt, bestehend aus zwölf individuellen Menschen mit unterschiedlichen Gestaltungshintergründen. Durch die Bündelung dieser Kompetenzen, die über Architektur und Innenarchitektur hinaus gehen und zudem Grafik, Fotografie und handwerkliche Ausbildungen abbilden, schaffen wir es, jedes Projekt individuell und gesamtheitlich umzusetzen.

Wie bewertest Du die Rolle von gelungener Innenarchitektur in einem Unternehmen?

 

Unternehmenskultur ist einer der Teilbereiche, in denen wir die Chance sehen, durch den richtigen Grundriss und dessen Gestaltung eine Art gesellschaftliches Umdenken zu bewirken. Kultur beginnt in jedem selbst, und erst der Austausch und das damit verbundene Lernen voneinander trägt dazu bei, dass sie nach außen getragen wird. Wir als Gestalter sehen unsere Aufgabe nicht darin, allein die Welt zu verändern und einen gesellschaftlichen Umbruch zu bewirken. Aber wir sehen die Chance, unseren Teil dazu beizutragen, indem wir jeden einzelnen Akteur unserer Räume in seiner eigenen Denkweise erreichen und inspirieren. Indem beispielsweise hierarchische Unternehmensstrukturen baulich aufgebrochen werden, schaffen wir Platz für kreatives Denken und transformative Prozesse. Jedem Mitglied einer Organisation kann so seine individuelle Wichtigkeit zugesprochen werden.

 

Das ist eine starke Aussage. Wie ist Eure Herangehensweise an Projekte, bei denen Ihr eine kulturelle Veränderung anstoßen wollt?

 

Wir verstehen unsere Projekte als ganzheitliche Gestaltunsprozesse. Der Prozess beginnt immer mit dem Abgleich der sozialen Relevanz jedes Projektes. Weitergehend wird in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten eine Idee entwickelt und durch alle Leistungsphasen begleitet. Die Entstehung dieser Entwürfe ist immer von unserer freien Haltung und dem Mut zum Brechen von Konventionen geprägt. Indem wir frei und experimentell handeln, entwickeln wir individuelle Designs, die spezifisch auf alle Projektbeteiligten eingehen.

Viele Unternehmen hinterfragen mittlerweile die Nutzung und Gestaltung ihrer Büroräume und wollen sich von alten Strukturen trennen. Inwiefern verändern sich die Ansprüche an die Bürowelt der Zukunft?

 

Das hängt unserer Meinung nach sehr stark von dem Grund ab, aus dem Unternehmen ihr Büro verändern wollen. Der Ursprung dafür sollte nicht in optischen Gründen liegen, sondern in der Frage, wie das Unternehmen eine Identifikation der Mitarbeitenden zum Unternehmen schaffen kann. Für uns ist deshalb eines klar: es gibt nicht die eine richtige Antwort darauf, wie das Büro der Zukunft aussehen wird. Die Gestaltung des Unternehmens muss in einem individuellen Prozess zwischen dem Unternehmen selbst und einem Expertenteam erfolgen.

Wie wurde die Identifikation der Mitarbeitenden bei der neuen Firmenzentrale Noventi Health SE in München innenarchitektonisch herausgearbeitet?

 

Das Konzept veranschaulicht die Wurzeln und die Zukunft des Unternehmens: Deswegen war „Tech with Roots“ der Leitsatz, den wir gemeinsam mit dem Verantwortlichen erarbeitet haben. Architektur und Interior-Design vereinen beide Welten mit einer klaren Handschrift und deutlichen Signalen. Die Corporate Architecture visualisiert die Brücke zwischen Herkunft und Zukunft. Das Apothekerwesen kommt allmählich in der Digitalisierung an. Rezepte werden nicht nur auf Papier ausgestellt, sondern stehen auch digital zur Verfügung. Auch die bekannten Apotheken ändern ihr Gesicht von Tradition zu Moderne. Das Spannungsfeld zweier Welten und dessen räumlich bewusst gesetzte Symbiose dominieren das Entwurfskonzept. Die klassische Rezeptabwicklung und somit die Schnittstelle zwischen Apotheke und Weiterverarbeitung gilt als Herkunft des Unternehmens. „Roots“ steht hierbei für genau diese Wurzeln und wird in den Arbeitsbereichen, unseren Homebases, gestalterisch visualisiert. Dieser Bereich gehört den Mitarbeitenden, die als Motor des Unternehmens hier ihre Wertschätzung erfahren sollen.

Im Gegensatz dazu sind die Kommunikationsbereiche dem Thema „Tech“ gewidmet. Sowohl räumlich als auch gestalterisch setzt sich diese Fläche von den Homebases ab. Die Verwendung von dichroitischem Glas, das auch als Farbeffektglas bekannt ist, erinnert zum Beispiel an die Optik einer Computerplatine und steht symbolisch für die Tech-Welt. Je nach Betrachtungswinkel, Beleuchtung, Sonnenstand und Wolkenbild verändert es seine Farbe. Der Einsatz von rosa Glas bildet das Pendant zu den braunen Scheiben in der Arbeitszone. Die Idee, eine transparente Fläche zu schaffen, die jedoch durch spannende Blickwinkel unterschiedliche Abstufungen an Privatsphäre verspricht, gelingt auch hier. Durch verschiedenfarbige Vorhänge in den Räumen der Kommunikationszone lassen diese Blickwinkel immer neue Farbüberlagerungen entdecken, was neue Denkanstöße und innovative Ideen geben soll.

Alt und Neu, Tradition und Fortschritt werden im Raum vor allem über die Materialität übersetzt. Kannst Du uns eine kleinen Detaileinblick geben, wie Ihr auch über die Raumplanung das Konzept „Tech with Roots“ sichtbar macht?

 

Der neue Hauptsitz verbindet Mitarbeitende von vier Standorten. Das Unternehmen will neue Wege gehen und dies auch sichtbar machen. Entstanden sind Arbeitsbereiche, die keine feste Zuteilung erhalten haben. In Zukunft sollen Abteilungen – je nachdem, ob sie wachsen oder sich verkleinern – flexibel Räume wählen können. Wir haben für die Arbeitszonen ein Drei-Scheiben-Prinzip im Grundriss entwickelt: Die erste Scheibe ist als umlaufender Mäander ausgebaut und verfügt über große Öffnungen zu den Homebases mit integrierten Nischen zum Sitzen und Arbeiten sowie abteilungsübergreifendem Stauraum und Garderoben. Die zweite Scheibe – eine braun gefärbte Glasscheibe als Reminiszenz an alte Apothekergläser – liegt versetzt zu den Öffnungen des Mäanders. Sie definiert Arbeitsinseln. Die dritte Scheibe bildet eine klare Verglasung von Einzelbüros. Diese Aufteilung durchbricht die Flurbereiche, generiert Kommunikationsmöglichkeiten und fördert spontane Begegnungen auf der Fläche.
Jedes Geschoss verfügt über eine gebündelte Kommunikationszone, die die Mitarbeitenden zu längeren Laufwegen animieren und als abteilungsübergreifender Treffpunkt fungieren soll. Visuell tauchen die Mitarbeitenden in dieser kommunikativen Fläche in eine neue Welt ein, die Fortschritt und Digitalisierung verkörpert. Keines der Materialien ist zufällig gewählt, sondern Ergebnis eines fein durchdachten Gestaltungsprozesses. Für jedes Projekt suchen wir nach einem spezifischen Material, das es einzigartig werden lässt. Bei Noventi gelang uns dies mit dem Einsatz eines neuen entwickelten Materials, das zum Markenzeichen wird. Im gemeinsamen Prozess entstand ein Möbelwerkstoff aus ehemaligem Rezeptpapier. Wir haben das Papier geschreddert und zu einer neuen Oberfläche für Möbel weiterentwickelt. Empfangstresen sowie Tische und Schränke sind aus diesem neuen Werkstoff gefertigt und lassen so den Besucher unmittelbar in die Noventi-Welt eintauchen. Wir sind überzeugt davon, dass die Werte, die Vision und Charakterzüge eines Unternehmens durch ein starkes innenarchitektonisches Raumkonzept transportiert werden. Wir sind stolz, dass unser Konzept nun von Noventi und allen Mitarbeitenden gelebt werden kann.

Kontakt

Hallo, ich bin Thilo Weinland. Sie haben Fragen zum Projekt? Sprechen Sie mich an.

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